Donnerstag, 28. April 2016

Die Pferdesprache: Wahrnehmung - Bericht vom Kurs

Seit 8 Jahren kenne ich nun die "Mit Pferden sein"-Arbeit - ein Weg für den ich seit der ersten Sekunde gebrannt habe und für den ich so dankbar bin, dass es ihn gibt und dass ich ihm begegnen durfte.

Wie nimmt ein Pferd seine Umgebung wahr? Was empfindet es und wie können wir es erkennen? Schnappschuss vom Fortgeschrittenenkurs
Über die Jahre begann sich meine komplette Wahrnehmung zu verändern und ich spüre, dass es auch immer noch ein Prozess ist. Es geht dabei nicht unbedingt nur um die Pferde, sondern auch im Allgemeinen um das Sein in der Natur. Sehr viel wird um diesen Punkt romantisiert - ein jeder Mensch hat sicherlich schon erlebt, dass man in einem stillen Wald mit Vogelgezwitscher oder an einem See den Stress des Alltags einmal zurückstellen kann.

Sagen wir es erstmal so: dadurch, dass ich mehr und mehr lerne, die Sprache der Pferde - ihre Körpersprache - wahrzunehmen, bekomme ich auch einen ganz anderen Blick für die Dinge um mich herum.

Ein Pferd nimmt intuitiv wahr und sein Verhalten ist in der Regel seiner Umgebung angepasst. Ein Beispiel: fühlt es sich unsicher oder hat Angst, wird es sich immer so ausrichten, dass es fluchtbereit ist. Wenn ich diese Signale lesen kann, ist es eines Tages soweit, dass ich in der Natur wie in einem offenen Buch lesen kann. Jede Sekunde ist wie ein kompletter Roman - auch wenn ich ihn vielleicht noch nicht vergleichbar wie ein Pferd wahrnehmen kann.

Jeder Ort erzählt seine Geschichte: welche Wesen ihn beeinflussen und wer ihn regelmäßig aufsucht. Ich erkenne am Verhalten meines Pferdes, wie es sich in der Umgebung fühlt, was ihm angenehm ist und wo es zum Beispiel heute nicht gerne verweilen möchte.

Wenn ich ihm seine Bewegungsfreiheit nehme, nehme ich ihm seine Sprache - wenn mein Pferd nur noch mir zu Willen reagiert und Runde um Runde um mich dreht, ohne einen wirklichen Ausdruck, dann bedrückt mich das auch gleichermaßen. Genauso wenn es durch die Natur nur noch latscht, ohne Anteilnahme, ohne Ausdruck.

So viele Menschen suchen den Weg zum Pferd, zur Natur - doch sie beginnen damit, das Pferd erst einmal für unser unnatürliches Verhalten zurecht zu machen. Jemand sagte mir letztens, dass er eine Ausbildung in der klassischen Dressur gemacht habe: "Zu Anfang hatte ich jeden Tag schrecklichen Muskelkater in den Armen - ich dachte, das halte ich nicht durch (Anmerkung: es handelt sich bei der Person um eine Zirkusakrobatin, die also durchaus stark trainierte Arme hat) - doch ich muss schon sagen, dass es sich nach ein paar Jahren gelohnt hat: ich erlebte sekundenweise Momente der Leichtigkeit auf dem Pferd."

Sie hat es also geschafft: nach Jahren ist sie dort, wo vielleicht ein Hauch der Leichtigkeit des Pferdes ist - doch die Pferde sind doch bereits von Natur aus eins mit ihrer Bewegung! Wir sind es auch - doch wir glauben, wir könnten bewerten wann es "richtig" ist - wann es harmonisch ist und wann man "durchgreifen" muss. Ich finde, wir täten gut daran, nicht immer gleich alles bewerten zu wollen, nicht immer gleich zu wissen, was die Antwort ist, sondern erst einmal nur zu schauen und zu akzeptieren, was wir sehen.

Erst wenn ich sehen kann - erst wenn ich die Situation wahrnehmen kann - kann ich mir überlegen, wie ich meinem Pferd antworte. Wenn mein Hengst an mir vorbei zu den Stuten laufen will, dann muss ich präsent sein, darf den richtigen Moment nicht verpennen - ein Hengst ist gnadenlos: er wird mir zeigen, ob ich wachsam war!

Ende März war ich auf dem Fortgeschrittenenkurs von "Mit Pferden sein". Ich habe gefilmt, versucht, das Geschehen mit meiner Wahrnehmung einzufangen - und habe dann folgenden Clip erstellt. Es hat sehr viel Spaß gemacht die kleinen Dinge zu sehen und die Unterschiede zu zeigen, wie auf jede Situation anders eingegangen wird.


Heute kann ich stundenlang im Garten sitzen und im offenen Buch der Natur lesen - im Wissen, dass ich immer noch lange nicht alles sehen kann, aber was ich sehe, reicht oft schon für mehr Fülle als ein Kinofilm - doch auch filme schaue ich gerne und verrückterweise ebenfalls mit mehr Interesse. Es ist, als könnte ich mehr und mehr Anteil am Leben nehmen.
Eine Kursteilnehmerin hat mich beim Filmen auf dem Fortgeschrittenenkurs fotografiert

Morgen früh geht es für mich in Richtung Schweiz zum Grundlagenkurs wo ich die Assistentin der Kursleiterin sein darf. Ich bin schon gespannt - ich spüre die Vorfreude und Aufregung in mir und ich werde wieder Lernen und meine Wahrnehmung weiter verfeinern.

Nun werde ich mich also ans Packen machen - Danke für's Lesen!
Alles Liebe
 eure Jaana

Noch ein Clip zum Thema - realisiert von meinen Schwestern: ein Tag im Herbstwald: