Samstag, 24. Dezember 2011

Frohe Weihnachten!

Liebe Leser, Pferdefreunde, Interessierte, Freigeister, Philosophen, Pragmatiker und MenschenKinder,

ich wünsche euch von Herzen frohe Weihnachten und im dem Zuge auch gleich einen besinnlichen Ausklang des Jahres 2011 sowie einen guten Anfang des kommenden Jahres!

2011 kletterten die Leserzahlen dieses Blogs auf Rekorde, die sich selbst immer weiter jedes Monat übertreffen, auch wenn ich nicht regelmäßig schreibe!

Ich bedanke mich bei den Lesern, aber auch bei allen lieben Menschen, die mir Feedback gaben, mir tolle Bilder oder anderes Material zur Verfügung stellten und die sich offen und ehrlich um mich bemühen und von denen ich lernen darf. Ganz besonders möchte ich darunter Sabine und Dan Birmann erwähnen und deren Schüler, die so fantastische, aufregende wie berührende Wege mit ihren Pferden gegangen sind und jeden Tag neu gehen. Danke, dass ich allgemein so tolle Menschen kennen darf und dann auch noch eine so starke Unterstützung meiner Familie habe!

Auf dass ich noch viel Schreiblust habe um diesen Blog nicht nur zu erhalten, sondern den immer mehr werdenden Lesern gerecht werde - das motiviert mich ungemein!

Merry Christmas also und bis ganz bald!
- eure Jaana

Dienstag, 29. November 2011

Kurstermine mit Sabine und Dan Birmann 2012

Schon zum 3. Mal hatte ich die Ehre, das Layout des jährlichen Falzflyers von Sabine Birmann mit den neuen Kursen von 2012 machen zu dürfen.

Hier für meine Blogleser als jpeg:


Zum Vergrößern, bitte auf das Bild klicken!

Für Details zu den Terminen, Anmeldung, Kontakt etc. verweise ich euch direkt auf die offizielle Website MitPferdensein.de

Seit neuestem findet ihr übrigens in der rechten Randspalte dieses Blogs die aktuellen Kurstermine der nächsten Zeit - immer aktualisiert!

Vielleicht sehen wir uns ja mal auf einem Kursus! :D

VLG
Jaana


Dienstag, 8. November 2011

Hengste - Kraft, Energie und Hingabe ...

... zu nichts passen diese drei Begriffe besser, als zu dem, was man in der Arbeit mit einem Hengst erfahren darf. Nach meinem Artikel von letzter Woche erhielt ich viele spannende Rückmeldungen und freue mich, dass Kontakte und Diskussionen entstanden sind.

Hengst Jasmir, den ich bereits erwähnte, hier bei der freien Boden-arbeit mit seinem Besitzer Dan. Hengste wollen sich in all ihrem Stolz und ihrer Pracht zeigen können.

Sie wollen einen Partner, der ihnen würdig ist, der mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität steht und der gerecht ist. Ein Hengst wird immer wissen wollen, wer der Stärkere, Klügere und auch Schnellere ist, denn das ist es, was in seiner Natur den Unterschied macht. Jemand, der noch nicht einmal seinen eigenen Vitalraum verteidigen kann, kann schwerlich ein ernstzunehmender Partner sein, geschweige denn wird er sojemandem die Führung überlassen. Und eine Führung wird man brauchen, denn es ist in unserer Gesellschaft nicht akzeptiert, einen Hengst einfach in die nächste Stutenherde laufen zu lassen.


Hengst bei einem Turnier
Hengstiges Verhalten schätzt in den normalen Reiterhöfen kaum irgendwer. Hengsthaltung ist eher das große Problem überhaupt. Traurig ist es, wenn diese Tiere, die Hengst gelassen werden für Zuchtzwecke, in der Box angebunden werden müssen und wenig zugefüttert bekommen um einfach die Kraft nicht mehr ausleben zu können.

Auf einem Turnier sehe ich nur, wie alle schön aussenherum reiten, wenn die Leute mit dem Hengst kommen. Andere wiederum sind so naiv, dass sie meinen, sie könnten mit ihrer rossigen Stute einfach mal vorbeireiten, schließlich wäre der Hengst ja erzogen.

Als ich mich damals zum ersten Mal auf einem Pferdeforum vorstellte, hagelte es Donnerwetter. Ich war selbst noch ziemlich größenwahnsinnig, aber als ich davon zu erzählen begann, ich hätte einen Shettyhengst, ging es erst richtig los; ja, das wäre ja das, wo die ganzen "Hinterhofzüchtungen" entstehen würden und sowieso wäre es doch unverantwortlich, einen Hengst dort zu halten, wo sich auch manchmal Kinder aufenthalten. Hengste wären sowieso unnötig und dumm und was weiß ich ... naja, zu so dämlichen Äußerungen möchte ich jetzt kein weiteres Kommentar anfügen.

Jasmir darf Stuten-Gucken
Ehrlichgesagt ist die einzige "Hinterhofzüchtung", die ich in all diesen Jahren erlebt habe, dadurch entstanden, dass der Kaltblut-Zuchthengst eines Hofes über oder besser gesagt durch den Zaun ging um auf die an der Hand geführte Stute auf der Straße zu springen - aber mein Gott, das ist ja nicht so schlimm; er ist ja gekört *lang-anhaltendes Kopfschütteln*
Leben Wallache wirklich glück-licher, weil sie in der Herde sind und dafür aber einen Teil ihrer Persönlichkeit lassen mussten? Ich glaube, das ist relativ zu sehen. Viel zu wenige Menschen sind überhaupt in der Lage, die Emotionen ihrer Pferde zu sehen oder zu deuten. Was ist denn das bitteschön für eine Identität, ein Wallach zu sein? Wenn wir uns anschauen, in was für Krisen sich manche Menschen stürzen, weil sie unfruchtbar sind, wer sagt, dass Pferde nicht auch Ähnliches fühlen können?

Friesenhengst Thor - 18 Jahre
Da kommt dann natürlich die Frage: wer sind wir eigentlich, dass wir uns einbilden, entscheiden zu dürfen, wer sich wann, wie und wo fortpflanzen darf und wer nicht? Vor allem nicht bei unserer Spezies, sondern bei den anderen - die haben nicht so viele Rechte wie wir, die "Dominierenden". ... 

LOL - das alles ist schon sehr abstrus! Diese Philosophiererei hilft aber dem Hengsthalter auch nicht sehr viel weiter und ehrlichgesagt wird sie auch das Pferd nicht interessieren, denn ein Pferd lebt immer im Jetzt, in dem Moment, der sich ihm gerade bietet.

Bis das Pferd 2-3 Jahre ist haben sie als Pferdebesitzer scheinbar heute die Pflicht, sich mit dem Gedanken der Kastration auseinanderzusetzen - alles Spätere macht wirklich keinen Sinn mehr. Entscheiden sie sich DAGEGEN, so wird ihr Weg sicher ein völlig anderer sein, als mit dem gleichen Pferd als Wallach.

Übrigens: wenig praktiziert, ist die Sterilisation auch eine Möglichkeit, welche den Hengst zeugungsunfähig macht, aber seinen kompletten Hormonhaushalt intakt lässt, da nicht amputiert wird, sondern "lediglich" die Samenleitern durchtrennt.

Tom kann mit Thor auch mit fremden Stuten im Gelände ausreiten. Hier ist Trakehnerstute Muran dabei, welche gerade eingeritten wird und zum ersten Mal mit ins Gelände geht. Die Stute geht gebisslos.
PS: Mein Dank für die freundliche Zur-Verfügung-Stellung dieser fantastischen Fotos geht an Sabine, Dan, Tom und Munja!

Samstag, 5. November 2011

Bewusst Kraft und Energie drosseln - die Kastration


Bei meinem Aufenthalt in Deutschland legte ich mir eine Ausgabe des PFERDEMARKTES zu - nicht, weil ich nach einem Pferd suche, sondern um viele verschiedene Pferde im Vergleich anschauen zu können (wärend der langen Rückfahrt) und Up to date zu werden, was das aktuelle Pferdeangebot in Deutschland beinhaltet.

Folgende Statistik erstellte ich dabei für diesen Blog:

von den knapp unter 700 Pferdeangeboten waren 77% erwachsene Pferde und 23% Fohlen (unter 24 Monaten).
Bei den Jungtieren gab es etwas mehr Hengstfohlen (57%) als Stutfohlen (43%).

Und bei den erwachsenen Pferden? Auch hier gab es einen leichten Überschuss an männlichen Pferden von etwa 15% gegenüber den Stuten die zu Verkauf standen - logisch. Einziger Unterschied: über 2 Drittel aller männlichen Pferde sind kastriert!
Nun, das ist ja eher ein Richtwert für den aktuellen akzeptierten Standard und verwundert sicher niemanden, aber als ich so meine Statistik machte, fragte ich mich immer wieder, was es eigentlich war, weshalb manche männlichen Fohlen Hengst bleiben durften und das Tier gleich in der Anzeige daneben nicht.

Ja, ja, naiv bin ich nicht - ich kenne alle Argumente, warum Tiere angeblich kastriert werden "müssen" und verstehe auch, dass Züchter bestimmt schneller einen Wallach an Person XY verkauft bekommen, als einen Hengst. Trotzdem bleibt bei mir die Frage trocken im Hals hängen, warum um alles in der Welt man die Pferde nicht so lassen konnte, wie sie eben sind - auch wenn man nicht mit ihnen züchten will?

Während meinem Praktikum auf dem Hof von Sabine Birmann durfte ich dieses Mal einem königlichen Friesenhengst begegnen. Ein bombastisches Pferd in einer fremden Umgebung mit Stuten usw. Um keinen Preis der Welt hätte ich diesem Pferd irgendetwas von seinem Stolz, seinem Ausdruck und seiner Energie nehmen wollen - auch wenn es genauso beeindruckend war, zu sehen, wie viel sich sein Besitzer in jeder Sekunde verdienen muss. Genauso verhielt es sich mit dem sterilisierten (ja, das ist ein großer Unterschied zum kastrierten) Trakehnerhengst Jasmir, welcher zusammen mit seinen 2 Stuten leben darf.

Ich hatte inzwischen 5 eigene Hengste. Vertigo, der jetzt 2 1/2jährige Kaltbluthengst ist natürlich nocheinmal eine weitere Herausforderung und ich gehe auch nicht so weit, als dass ich mich als "Hengstspezialistin" bezeichnen würde, aber genau deshalb frage ich mich, warum ich trotzdem nie und im Traum nicht auf die Idee kam und gekommen wäre, einen meiner Hengste zu kastrieren. 

Nämlich obwohl ich Fehler mache, mich nicht auskenne, bereits zwischen zwei ernsthaft kämpfenden Hengsten stand, aus Unwissenheit gebissen wurde und mit Bangen versucht habe, anderen Pferden (und z.T. auch pferdeähnlichen Geschöpfen ;-) tunlichst aus dem Weg zu gehen, war der Gedanke, dem abzuhelfen, indem ich den Hormonhaushalt durch Amputation drossle, einfach nicht existent.

Erst jetzt, wo ich mehr und mehr Pferdeleute kenne und meine Pferde selbst einmal eingestellt hatte, kann ich den Druck, den die aktuell übliche Pferdehaltung schnell auf Hengsthalter ausübt, langsam nachvollziehen. Das hatte aber auch nicht zur Folge, dass ich Vertigo kastrieren ließ - auch wenn er jetzt so langsam anfängt zu testen, sehe ich immer noch nichts, was wirklich ein gerechtfertigter Grund dazu wäre.

Wollen wir es uns nur bequem machen und den Sexualtrieb ausschalten, damit auch jeder Ottonormalverbraucher sich auf ein Pferd setzen kann? Über 200 Wallache zählte ich in der Ausgabe des PFERDEMARKT - über 200x war der Tierarzt da und die Leute haben viel Geld für diesen ja ach so harmlosen Eingriff ausgegeben.

Warum, frage ich dann, ist auf dem Cover dann wieder ein wundervoller Araberhengst voller Energie zu sehen - bestimmt wieder ein Foto, das teuer bei einem Profifotografen eingekauft wurde, welcher von Gestüt zu Gestüt reist um solche Pferde zu fotografieren. Wir meinen doch im Ernst, wir können uns einen Teil dieser faszinierenden Energie kaufen aber das, was uns stört "wegschneiden" und uns dann als tolle Pferdeleute hinstellen ... ?

Ich habe nichts gegen Wallache - besitze ja selbst einen - und finde auch nicht Menschen kategorisch schlecht, welche mal ein Pferd kastrieren, aber dass die Hemmschwelle so klein gegenüber so einem Eingriff ist, finde ich erschreckend!

Donnerstag, 3. November 2011

Joel und Hayet

Sehr schönes Video: Joel und Hayet (Trakehnerstute - 4 Jahre) reiten frei auf dem Platz - sozusagen kleine Eindrücke vom freien Reiten auf Gewichtshilfen: Losgehen - stoppen - Wendungen:


Wird das Video nicht angezeigt, dann klickt auf den Link unten zu meinem Blog!

Schön auch die Kommentare von Sabine zu hören! Mehr Infos gibt es auch auf www.mitpferdensein.de

Freitag, 28. Oktober 2011

Gewaltfrei?

Gebe ich bei Google das Stichwort "Gewaltfrei" im Zusammenhang mit "Pferde" und "Reiten" ein, so komme ich als erstes Ergebnis auf einen Artikel über Monty Roberts. Ich will nun nicht lange über diese Methode sprechen - dazu bräuchte es mehrere, gesonderte Artikel - aber ich will mich tatsächlich einmal bewusst damit auseinandersetzen, was wir als gewaltfrei empfinden und wie man zwei Begriffe wie "Gewalt" und "Freiheit" in einem Wort unterbringen kann. 


Bloß weil man nicht haut ... 

Offensichtliche Gewalt
Im ganz oberflächlichen Sinne meint man Gewalt daran zu erkennen, ob einer zuschlägt oder eben nicht. Wir denken als erstes an körperlichen Schmerz - jedoch; jedem ist es ebenfalls offensichtlich, dass auch ein Gefangensein in einer ausweglosen Situation zwar im ersten Moment keinen Schmerz hervorruft, aber doch ein unglaublicher geistiger Übergriff ist, der mit Gewalt gleichzusetzen ist.


Es gibt also auch psychische Gewalt. Um jemanden einzusperren muss man nicht hauen und trotzdem erlebt "das Opfer" Gewalt.


Schauen wir uns nun das Pferd an. Als Fluchttier wird sein Inneres auf Bedrohung zumeist mit Davonlaufen reagieren, denn es setzt von seiner Natur aus darauf, gar nicht erst in den Kampfmoment zu kommen, da es dann - gegenüber einem Raubtier - bereits verloren hat. 


Viele Leute zucken zusammen, wenn sich ein Pferd absichtlich von einer Peitsche treffen lässt, weil es einfach den Individualraum nicht respektiert, haben aber gleichzeitig das Gefühl, dass Ausbildungsmethoden die aktiv den Willen des Pferdes brechen, dabei aber das Pferd nicht berühren, automatisch gewaltfrei sein müssen. Und dann finden sie es auch noch normal, wenn sich in einem Herdenverband die Pferde vom Futter wegjagen - ich frage mich wirklich, wo da noch die Logik ist!




Wo ein Wille ist


Wenn ich einen Betonpfosten übersehe und mir deshalb schmerzhaft die Zehen daran anstoße, habe ich nicht das Gefühl, dass mir gerade jemand Gewalt angetan hat - manchmal schelte ich mich noch selbst für meine Dummheit. Ähnlich übrigens, wenn ich vor mich hinträume, aus Versehen eine Person vor mir anremple und diese mich dann zurückweist. Selbst wenn mein Freund mir auf den Fuß steigt ist das für mich noch keine Gewalt, solange er selbstverständlich wieder runtergeht sobald ich ihn darum bitte.

Was ist schon Freiheit?

Anders fühle ich mich, wenn er seinen Fuß nicht runternehmen würde, mich dabei noch angrinst und mir klar wird, dass er das bewusst tut um mir zu schaden. Dieses Gefühl habe ich auch, wenn mich jemand absichtlich blamieren möchte, mir egoistisch etwas nimmt was mir wichtig ist oder mir körperlich auf den Leib rückt, obwohl ich zu verstehen gegeben habe, dass ich das nicht möchte.


Wenn wir hier anfangen, genauer hinzuschauen, merken wir vielleicht, wie stark man sortieren muss um zu verstehen. Als Fazit würde ich im Moment sagen, dass Gewalt dort anfängt, wo jemand bewusst handelt - nicht zwingend nur um mir zu schaden, sondern auch weil er rücksichtslos nur an sich selbst denkt und dabei meinen Lebensraum verletzt.


Es ist also der Wille des Einzelnen dahinter, der den Unterschied macht und nicht, ob ich körperliche Schmerzen erleide. Am meisten Schmerzen habe ich wahrscheinlich bei der Situation mit dem Betonpfosten - da habe ich mir dann vielleicht sogar etwas gebrochen - trotzdem ist sie kaum so schlimm für mich, als wie wenn ich absichtlich vor allen Leuten bloßgestellt werde. Das alles mal als Beispiel.

Raumeinnehmen
Konkret aber kann ich das auch auf die Arbeit mit dem Pferd übertragen. Nehme ich meinen Willen raus und konzentriere ich mich nur auf meinen persönlichen Individualraum, darf ich diesen verteidigen. Stehe ich zum Beispiel auf dem Reitplatz und ziehe einen Bogen mit der Peitsche um mich und das Pferd läuft hinein, dann ist es, als wie in dem Beispiel wo ich mir meine Zehen anschlage. Da kann ich wirklich nichts dafür, vor allem wenn das Pferd definitv genug Platz zum Ausweichen hatte.




Gebrochener Stolz


Wenn wir uns das Fluchtverhalten der Pferde wie oben geschildert anschauen, dann müssen wir eigentlich zugeben, dass kaum etwas in der heutigen Reiterei so mal eben gewaltfrei genannt werden kann - auch Methoden wie das Join Up von Monty Roberts nicht. Wirklich wäre das nur, wenn ein Pferd in jeder Sekunde die freie Wahl hat zu gehen und wir nicht versuchen, es dazu zu bringen etwas zu tun.


Nie ist das Pferd im Sport gut genug
Die Wenigsten haben aber den Mut dazu, genau das geschehen zu lassen. Entweder wird das Pferd von vorneherein so terrorisiert und verschnürt, dass es keine Wahl mehr hat, oder bis zur Erschöpfung im Round Pen gescheucht, bis es sich unterwirft. Beides erniedrigt das Pferd und seinen Willen - seine Schönheit. Hinzu kommt noch, dass kaum ein Pferd im Gegenzug einmal die Möglichkeit hat, sein Können wirklich zu zeigen. Egal wie hoch sie springen und geschmeidig sie tanzen - nie ist es wirklich gut genug. Beim Menschen wären bei so einem Leben Minderwertigkeitskomplexe und Depressionen noch harmlose Auswirkungen.


Doch wenn ein Pferd freiwillig kommt um mit uns zusammenzusein und zu arbeiten, sich zu zeigen - das ist wahres Glück und tatsächlich möglich! Alles was wir brauchen ist eine gesunde Portion Demut und die Bereitschaft, dem Pferd etwas Freiraum bieten zu wollen.




Fazit: die eigene Furcht vor der Gewalt


Spaß und Energie bei der freien Arbeit
Einen sehr ähnlichen Artikel schrieb ich bereits im Juli dieses Jahres zum Thema Autorität in der Erziehung. Ich will niemanden überzeugen denn ich weiß, dass ich das gar nicht könnte. Es gibt Menschen, die fürchten die Gewalt und würden von daher niemals nie in eine Situation gehen, wo es diese braucht - meinen sie zumindest.


Dazu möchte ich nur kurz erwähnen, dass durch diese Nicht-Konfrontation sich die Ebene der Gewalt schnell auf eine andere verlagert. Das kann sein, indem man dann zu Methoden greift, die ohne Aufregung und ohne Streit auskommen, aber unterschwellig auch jede Form von Kommunikation einstellen.


Das ist dann wie, als ob mein Freund auf meinem Fuß stehenbleibt, aber so tut, als wäre da nichts. Wenn ich dann anfange vor Schmerz zu heulen und ihn mit der Körperkraft des Schmerzes wütend herunterschubse, schaut er mich verständnislos an und meint noch, ich hätte irgendein Problem, dass ich meine Aggressionen nicht unter Kontrolle hätte.


Ich wäre ihm in so einem Falle dankbar gewesen, wenn er mich zuvor angesprochen und gebeten hätte aus dem Weg zu gehen - dann wäre er mir hoffentlich noch nichteinmal auf den Fuß gestiegen.


Das als Beispiele mit auf den Weg und nun wünsche ich ein schönes Wochenende!
- Jaana

Samstag, 1. Oktober 2011

Der Eselhengst

Heute, da sitze ich zum ersten Mal hier auf unserer Wiese mit dem Laptop und mir wird bewusst, dass einer unserer vierhufigen Familienmitglieder auf diesem Blog bisher deutlich zu kurz kam : unser 16jähriger Eselhengst Fanou.

Eigentlich vergesse ich damit unseren besten und wichtigsten Lehrmeister zu würdigen, denn nichts geht über die Willenskraft und Persönlichkeit dieses Wesens. Man findet viele Meinungen dazu, dass Eselhengste besonders stur und zum Teil auch sehr territorial bis hin zu gefährlich sein können. Dem stimme ich zu, nur finde ich da nur etwa 10% dessen reflektiert, was unser Eselhengst für uns eigentlich ist.

Ich möchte von Liebe sprechen und von Wahrheit. Das ist es nämlich, was ein Esel immer wieder von einem einfordern wird. Er geht nicht wenn es das nicht braucht, weicht nicht, wenn er nicht weiß, dass du es ernst meinst und wird dich einfach abschleifen, wenn du ihm nichts bietest, wozu es sich lohnte zu bleiben.

Doch gerade das lässt uns spüren, wie wertvoll einem Tier die Beziehung zu uns ist. Fanou ist die Überlegenheit in Person und doch macht es genau das aus, dass man sich in seiner Gegenwart so wohl fühlen kann. Er beherrscht seinen Körper und sehnt sich nach einem ruhigen Moment mit einer Person seiner Wahl, die bereit ist, völlig loszulassen von allen Konzepten und Machtkämpfen.

Es ist alles oder nichts – Wahrheit oder Trennung.

Ich glaube, viele Eselbesitzer werden sich in dem Geschilderten wiederfinden. Jetzt sollte man aber nicht vergessen, dass Fanou Hengst ist und auch bleiben wird. Zwar wirkt er mit seinen 1,08 Stockmaß eher unscheinbar, aber wer die Energie und vor allem körperliche Kraft erlebt, die sich in wenigen Sekunden gezielt entfesselt, lernt man einen gehörigen Respekt vor der Natur !
Die Kraft und Energie die Fanou entfesseln kann ist unglaublich - zusätzlich zu seiner Mimik. Ponyhengst Titi muss ganz schön mitdenken um schneller und geschickter im gelegentlichen Spiel zu sein.

Ein Beispiel : alle jungen Hunde versuchen früher oder später einmal, ob man Pferde eigentlich auch jagen kann. Titi, das Pony findet das immer besonders lustig und kostet mich den letzten Nerv, wenn er mit ein paar kleinen Sprüngen den Hund auch noch zum Spielen auffordert. Ich finde das aber nicht gut und vor allem auch gefährlich. Habe da schon schlimme Dinge erlebt. Wie löst Fanou das Problem eines solchen Störenfrieds ?

Fanou hat den Salzleckstein im alten Paddock wiedergefunden. Ziege Joy würde auch gerne, aber wartet. Deshalb bleibt er auch ganz gelassen stehen. Das er alles im Überblick hat ist keine Frage ...
Er stellt sich in die Mitte seines Paddocks und wartet. Kommt der Hund von hinten, kickt er einmal drohend. Er bleibt so lange stehen, bis der Hund sich ausgetobt hat. Super – aber damit noch nicht vorbei : der Hund wiegt sich also in Sicherheit und stromert in dem Paddock herum. Fanou wartet einen günstigen Moment ab und kommt dann urplötzlich und ganz gezielt von hinten, packt eventuell einmal mit dem Maul zu, quietscht, trötet, stampft und presst die Ohren an den Hals. Noch nie ist einem unserer Tiere etwas passiert und egal ob Hund, Schaf, Katze, Ziege oder ähnliches hat jemals erneut versucht, ihn danach nocheinmal in Frage zu stellen. Das wissend grasen Pony und Esel inzwischen sogar gerne mit den Schafen zusammen (wir sorgen immer dafür, dass die Schafe eine Rückzugsmöglichkeit für Notfälle haben) und die Schafe bleiben gerne in der Nähe des Esels, denn er bietet, eigentlich als Einziger, wirkliche Sicherheit.

Jedes Auto wird begrüßt und jede Fütterung penibel überwacht. Einmal ließ ich Esel und Denicheur zusammen. Nach etwas Herumgelaufe schlich sich Fanou in Zentimeterschritten ganz friedlich an das große Warmblutpferd heran und plötzlich gab er einen grunzenden, erbosten Ton von sich, hüpfte mit allen vier Hufen seitwärts und während Denicheur vor Schreck schon am anderen Ende der Koppel war, stand er zufrieden an dem Platz des Pferdes und las Haferkörner auf.

Ich glaube, Fanou ist für sich der Chef unserer kompletten Wiese und alle sind ihm dankbar. Ich möchte definitv nicht in der Haut der Person stecken, die sich gründlich mit ihm anlegt, aber von solch einem Wesen im Zusammensein lernen zu dürfen, macht mich froh und stolz !

In Schafherden ließ man früher oft Esel mitlaufen, da diese bereit waren, die Herde vor den Wölfen zu verteidigen. Das glaube ich heute ohne zu zögern. Was den sozialen Instinkt betrifft und die Verteidigungsbereitsschaft, so sehe ich wenig, was einen Esel übertrifft. Aber eben auch die Bereitschaft, sich in allem Stolz, an die Seite der Personen zu stellen, die er liebt. Ich kann Fanou heute selbst dazu überreden, im See zu baden – was definitv gegen seine Vorstellungen von Vernunft geht – allein, weil ich es für ihn mache und im guten Willen. Klar geht das nicht über ein bisschen Diskussion – das ist, um sein Gesicht zu waren – aber letztlich genießt er es in den heissen Tagen, wo die Mücken ihm die Beine wund beissen.

Seien sie vorsichtig bevor sie sich einen Eselhengst zulegen, wenn sie glauben, sie könnten ihn brechen – wenn sie ihn stattdessen einfach lieben und ehrlich zu ihm sind, wird er ihnen etwas ganz besonderes geben : ehrliche Verbundenheit und Liebe.

Umso trauriger bin ich natürlich, wenn ich kastrierte Esel sehe – was ist das für eine unschöne Art, ein solch wunderbares Wesen zu brechen !?

Freitag, 30. September 2011

Notiz: Bucherscheinung "Mit Hunden sein"

Heute mal ein Tipp für Hundehalter - davon gibt es ja auch eine ganze Menge ;-)



Am 22. September erschien im Ippikon Verlag das Buch "Mit Hunden sein", unter anderem inspiriert von der Arbeit mit den Pferden von Sabine Birmann, regt die Autorin Eva Windisch zum Nachdenken über Vorurteile und feste Konzepte in der Hundeerziehung an und zeigt, wie einfach es sein kann, wenn man sich mehr auf das Wahrnehmen und die Körpersprache konzentriert. Eine warme Empfehlung meinerseits, nicht nur weil ich das Buch illustrierte und gestaltete.

Für die interessierten Hundeliebhaber: das Buch kostet 12 € + 2 € Versand innerhalb Deutschlands und bestellen könnt ihr es direkt bei der Autorin per Mail: info@mithundensein.de Weitere Infos und eine kostenlose Leseprobe im PDF-Format erhaltet ihr auf der Website: www.mithundensein.de

Dienstag, 27. September 2011

Freundschaft mit Pferden - Gedicht

Hier ein wunderschönes Gedicht welches mir meine Schwester Sophia zum Geburtstag geschrieben hat. Sehr persönlich, aber ich wollte es trotzdem mit euch allen teilen, denn ich bin sicher, nicht nur ich selbst finde mich darin wieder!

Tausend Dank!


Für meine Schwester Jaana :

Siehst du die Spuren in der Erde ?
Die Spuren der weisen, führenden Pferde.
Sie leiten dich durch dein Leben
Und können dir jederzeit Mut mitgeben.
Du liebst sie und bist mit ihnen eins,
Du verstehst ihr Herz und sie verstehen deins.
Zusammen sollt ihr durch das Leben gehen
Und ihr werdet viel Freude und Freiheit sehen.
Nie lasst ihr euch allein
Und so soll es für immer sein.
Kurz gesagt, mit einem Satz :
du bist der Pferde größter Schatz !
Genauso ist es auch umgekehrt
Und noch ein Sprichwort das uns lehrt :
« Das Glück auf Erden
Liegt in der Freundschaft mit Pferden. »


Freitag, 23. September 2011

Der Sattel ...

... oder kurz erklärt, warum wir auf Pads reiten.

Ein Sattel ist für den Komfort des Reiters gedacht. Er ermöglicht den stabilen Sitz, den man in den verschiedenen sportlichen Disziplinen benötigt. Aber ist er unbedingt erforderlich?

Der Baum eines Sattels ist steif - meistens aus Holz oder Kunststoff - und mit einer harten Polsterung überzogen. Deshalb tut jeder eine Satteldecke zwischen Pferderücken und Sattel. Eigentlich ist die Schlussfolgerung jedoch logisch, dass, wenn der Sattel und sein Baum nicht perfekt an den Pferderücken angepasst sind, das Pferd in seinen natürlichen Bewegungen eingeschränkt wird.

Der Pferderücken und dessen Muskeln sind die Körperteile, die uns, die Reiter, tragen. Letztere befinden sich konstant in Bewegung und verändern auch ihre Form je nach Trainingsstand und Alter des Pferdes. Deshalb sieht man häufig selbst junge Pferde mit schechten Rücken, da die Muskulatur verkümmert ist.

Man sollte also gründlich überlegen, bevor man dauerhaft einen vielleicht nicht passenden Sattel auf den ja so wichtigen Pferderücken schnallt. Jedes Pferd hat eine ganz eigene Rückenform!
Deswegen reiten wir ohne Sattel, mit zwei dicken Westernpads (ganz normale, aber dicke, Satteldecken, wie sie sonst unter den Westernsattel kommen) welche mit einem Gurt festgezogen werden. Das ermöglicht eine enorme Bewegungsfreiheit für das Pferd, ist für lockeres Geländereiten auch bequem für den Reiter, der nicht rutscht, und der Pferderücken wird trotzdem vor unangenehmen Stößen unseres Beckens geschützt.

Das Pferd hier Links trägt zum ersten Mal Pads und wurde vorher mit einem klassischen Sattel geritten. Wer genau hinsieht, der merkt, dass der Rücken ganz leicht versteift und abgesenkt ist.

Ich kenne die Kontroverse, welche heute zu diesem Thema herrscht. Vor allem Teilnehmer des Reitsports belächeln schnell das Reiten ohne Sattel. Doch auch hier möchte ich nur kurz einmal darauf hinweisen, dass es inzwischen gute und erprobte Sättel ohne Baum für alle Disziplinen gibt. Meistens sind sie sehr viel billiger als ein Markensattel (und tausendfach billiger als sich ständig einen neuen Sattel auf Maß anfertigen zu lassen!) und verabschieden das Thema vom Sattelzwang gleich von vorne herein.

Hier in Frankreich ist vor allem die Marke BAREFOOT bekannt. Sie bringen immer wieder neue Modelle heraus - zu egal welcher Disziplin. Wäre das nicht toll? Gleichzeitig dem Pferd etwas Gutes tun und sich trotzdem finanziell nicht zu verausgaben?

Persönliches Kommentar: ich selbst kaufte damals für Denicheur noch einen Sattel mit Baum - Marke billig. Es war in dem Sinne herausgeschmissenes Geld, hätte ich da schon das mit dem Padreiten kapiert ...

Also, bis zum nächsten Mal! Ich freue mich über Feedback und Kommentare!

Montag, 19. September 2011

Nachwort: unsere eigene Angst

Bevor ich jetzt dann zum nächsten Thema hier im Blog übergehe, möchte ich aufgrund des erhaltenen Feedbacks nocheinmal zu dem Checklist-Post zurückkommen. Ich habe vor allem Positives zurückbekommen, aber je mehr ich darüber nachdenke, verleitet mein Post schnell anzunehmen, dass man hier mal wieder etwas gefunden hat, was einfach so oder so gemacht werden soll.

Lasst euch auch hier nicht in eine Schublade stecken und ganz gewiss auch euer Pferd oder sein Verhalten nicht. Es gibt zum Beispiel tatsächlich ängstliche Pferde, welche total überfordert reagieren - einfach aus Angst - und das nicht zwingend, weil sie keine Bindung zu ihrem Menschen haben.

Am ängstlichsten sind aber oft wir Menschen selbst. Nicht nur haben wir selbst Angst vor der Plastiktüte oder dem kläffenden Hund oder dem Traktor der angebrettert kommt (auch wenn wir in unseren Augen ja nur Angst vor der Reaktion des Pferdes haben), sondern auch in ganz viel banaleren Situationen - oft schon, wenn sich ein Pferd "frei" und unkontrolliert in unserer Nähe aufhält.

Ein Pferd kann nicht in unseren Gedanken lesen, dass wir Angst vor ihm haben und wenn, dann bleibt bei ihm nur ein großes Fragezeichen. Es reagiert genauso unsicher auf einen neuen Gegenstand oder eine Situation wie wir und damit beginnt dann meist ein Teufelskreis, wo an den Zustand, welchen ich so locker im letzten Artikel beschrieb, gar nicht mehr zu denken ist!

Oft ändert sich das alles bereits innerhalb von Sekunden, wenn eine unvoreingenommene Person bei dem Pferd ist, die von sich aus gar nicht auf die Idee kommt, dass irgendein Problem vorliegt, dann scheint plötzlich auch das Pferd seine Angst vergessen zu haben.

Bin ich in dem Moment nicht in der Lage, mich derart in die Ruhe zu bringen, sollte ich Fair bleiben, und das auch zugeben. Angst ist wie bereits gesagt, nur schlecht, wenn man sie leugnet. Dann täuscht man vor jemand zu sein, der man in diesem Augenblick gar nicht ist.

Das beste Feedback erhielt ich diese Tage von meinem Pferd Denicheur selbst - nicht wegen einem Gegenstand, sondern er wollte mal wieder meine Angst vor ihm dazu ausnutzen, schneller durch das Tor nach draussen zu kommen. Stehe ich ersteinmal in der Situation vor meinem Pferd, welches mich durch tänzeln und leichtem Steigen, Buckeln, Ohrenanlegen und Quietschen bewusst beeindrucken möchte um ans Ziel zu kommen, dann wird man auf einmal ganz klein ... oder?

Wenn ich ehrlich bin, hat er nur so herumgemacht, weil ich selbst nicht von mir überzeugt war. Er hat das gespürt und - nett wie er ist :-X - sofort ausgenutzt. Früher war ich nie in der Lage, so eine Situation zu klären. Jetzt führte ich ihn wieder hinein, machte das Tor wieder zu und löste den Strick vom Halfter. Natürlich wurde sofort empört herumgaloppiert etc. weil Vertigo bereits draussen war - an dem er ja ganz furchtbar klebt.

Denicheur und ich - da kriselt es immer wieder. Aber letztlich gelingt uns immer wieder ein Schritt nach vorn.
Keine Minute verging und er fing an, um mich herumzulaufen. Ich schickte ihn ein Paarmal weg und als ich merkte, dass er es jetzt wirklich ernst und freundlich meinte, lud ich ihn zu mir ein und machte den Strick wieder ans Halfter. Vorsichtig führte ich ihn rückwärtsgehend aus dem Tor, bis ich merkte, dass er jetzt wirklich bei mir war. Als ich ihn dann freiließ, blieb er bei mir stehen und ließ sich kraulen. Ein sehr schöner Moment.

Nun, das ist jetzt eine ganz ehrlich Erzählung von meinem Alltag mit den Pferden. Habe ich ihn bestraft, als ich ihn wieder zurück auf die Koppel brachte und nicht hinausließ? Ja und nein. Ich war ehrlich zu mir und habe meine Angst erkannt - er war zuerst definitv nicht begeistert davon. In dem Moment muss man abschätzen, was geht und was nicht. 

Jemand anderes hätte dieses Problem vielleicht nie gehabt und er hätte mir vielleicht gesagt, dass ich schwach gewesen bin, aber worum es ging war, dass ich es gemacht habe, dass ich mich der Beziehung gestellt habe, genau als die, die ich eben bin. Und ich habe nunmal Angst, wenn Denicheur zickt und dann kann ich nur noch meinen Raum wahren und warten, ob man im nächsten Moment wieder weiterreden kann.

Und noch was: ich bin froh, dass Denicheur mir nun so offen zeigt was er denkt. Er fordert mich auf eine doch liebevolle Art heraus und bringt mich immer wieder an den Boden der Tatsachen. 

Das Pferd als Lehrer ...

Freitag, 9. September 2011

Mit Freude Neues erforschen - Checklist Teil 2

 Teil 2 der Checklist-Reihe

Pferde sind von Natur aus neugierig. Sie spielen immer mit allem Möglichem herum, solange sie sich in einem entspannten Umfeld bewegen. Für mich ist es ein Zeichen, ob ein Pferd aufgeweckt ist und an mir und seiner Umwelt interessiert ist oder nicht - weil es zum Beispiel unter Stress steht oder abgeschalten hat.

Jedes Pferd hat selbstverständlich unterschiedlich stark Freude am Spielen und Ausprobieren. Manche sind von Haus aus skeptisch allem Ungewohnten gegenüber. Deswegen geht es hier in dem Artikel nicht darum, dass man erwarten sollte, dass jedes Pferd "Hurra!" ruft, wenn es einen Ball oder eine Tüte sieht, sondern darum, wie man in einer Beziehung mit neuen Dingen umgehen kann.

1.: der Check: 
Zum ersten Mal zeige ich Vertigo ein Pad. Er schaut neugierig.
Was passiert, wenn sie ihr Pferd mit etwas völlig Unbekanntem konfrontieren (natürlich wenn das Pferd völlig frei ist)? Kommt es und beschnüffelt es oder hält es sich auf Abstand so lange sie das Ding bei sich haben?

2.: Warum ist dieser Punkt so wichtig?
Was ich jetzt sage, mag manchem Reiter gar nicht gut schmecken; Für mich ist chronische Schreckhaftigkeit beim Pferd (also, wenn ein Pferd immer vor allem scheut, auch im Stall etc. - nicht wenn es wirklich erschreckt wird und dann ein paar Hopser zur Seite macht) ein Zeichen von übermäßigem Stress oder, und das ist besonders häufig der Fall, ein Zeichen für wenig Vertrauen in die Beziehung.

Ich will das, was ich meine, genauer erklären, indem ich mehrere Beispiele anführe.

  1.  Beispiel: Pferd erschreckt sich Ich bin mit meinem Pferd unterwegs durchs Dorf. Ein Hund rennt kläffend an ein Gartentor. Logischerweise erschrickt sich mein Pferd. Je nach Temperament und Erfahrung meines Pferdes und auch meiner eigenen Gelassenheit, wird es sich mehr oder weniger schnell wieder einkriegen - spätestens wenn wir zu Hause und im Stall sind.
  2. Beispiel: Pferd ist skeptisch und ängstlich Seit heute steht neben dem Reitplatz ein Anhänger mit im Wind flatternder Plane. In der Ecke - zum Beispiel bei der Bodenarbeit - buckelt mein Pferd los und versucht zu fliehen. Je nachdem, wie ich mit der Situation umgehe, aber spätestens wenn der Hänger wieder weg ist, entspannt sich die Situation.
  3. Beispiel: Pferd verweigert sich komplett Beim Spaziergang müssen wir an einer gewaltigen Landmaschine vorbei. Mein Pferd entscheidet sich, hier auf keinen Fall vorbeizugehen. Je nach Temperament meines Pferdes kann ich mit klarer Diskussion vielleicht etwas erreichen, aber manchmal kommt man richtig ins Kämpfen und das Vorbeikommen wird undenkbar, ja sogar gefährlich, weil sich das Pferd immer mehr aufspult. 
  4. Beispiel: Augen zu und durch Ich reite auf meinem Pferd, schwatze, gröhle und turne auf seinem Rücken herum, während es einfach weitertrottet. Es hat schlichtweg abgeschalten und folgt dem, was es als seine Aufgabe zu verstehen meint.
  5. Beispiel: Energie Ein Windhauch lässt die Blätter rascheln ... Mein Pferd nimmt die Energie auf und macht ein paar Bocksprünge.
  6. Ich gehe in die Koppel. Er schnüffelt.
  7. Beispiel: Mein Pferd ist neugierig Ich muss Baumaterialien über die Koppel oder an den Boxen vorbei in einer klapprigen Schubkarre transportieren. Mein Pferd kommt auf mich zu, schaut, was ich da tue und interessiert sich sehr für das, was ich da habe - es könnte ja etwas Tolles sein, denn das ist es eigentlich immer, wenn ich etwas dabeihabe.
Um zu allen Beispielen etwas wirklich Interessantes zu schreiben, müsste ich ein ganzes Buch veröffentlichen. Für mich sind alle Reaktionen des Pferdes in jeglicher Situation logisch begründet. Wenn ich jetzt von chronischer Schreckhaftigkeit schrieb, dann meinte ich, wenn sich ein Pferd in so einer Situation übertrieben verhält. Ein solches Pferd wird unter Dauerspannung stehen - bereit, bei jeder hastigen Bewegung, zur Seite zu springen. Diese Pferde sind nicht selten und werden oft als Spinner abgetan. Nur wenige davon sind aber tatsächlich derart temperamentvoll, es mangelt im Normalfall mehr am Vertrauen und liegt vielleicht auch an einem haltungsbedingten, hohen Stresspegel.  Ein abgeschaltetes Pferd erkenne ich daran, dass es keine der Verhaltensweisen mehr zeigt, und nur noch, wie in Beispiel 4, vor sich hintrottet.
Erst lege ich es nur an seine Seite.

Man sieht hier vor allem, dass Schreckhaftigkeit und Fluchtverhalten des Pferdes nicht so leicht über einen Kamm geschoren werden kann, indem man ein Pferd "Planensicher" macht. Das geht höchstens über Abstumpfen, was früher oder später zum Zustand in Beispiel 4 führt, der sich dann dauerhaft einstellt.
 
Zurück zum Thema des Artikels.
 
3.: Was habe ich davon, wenn mein Pferd mit Neugier an neue Reize herangeht?
Die Frage ist wohl weniger was es mir bringt als dass, was das Pferd mir damit sagt. Noch ein Beispiel: ich mache den obenstehenden Check indem ich mit einer Tüte zu einem jungen Pferd gehe. Ich bleibe gelassen stehen und raschle ein wenig. Vertraut mir das Pferd, kennt es mich als jemanden, der immer tolle Spiele in der Tasche hat und ist die Situation allgemein entspannt, wird es Interesse in irgendeiner Art zeigen. 
 
Je stärker die Bindung, desto mehr wird sich das Pferd von sich aus interessieren. Verspielte Pferde werden schnell um mich herumstehen und alles mit der Tüte tun, was ihnen einfällt. Anderen schnuffeln nur einmal kurz und dann ist es auch wieder gut.

Jetzt liegt es drauf. Man sieht seine Skepsis.
Abgeschaltete Pferde werden Sie auf diese Weise kaum interessiert bekommen. Traumatisierte Pferde scheuen und kommen dann nicht wieder. Das Gleiche kann Ihnen passieren, wenn Sie selbst angespannt und ängstlich sind.
 
4.: Was sagt mir mein Pferd damit?
Kurz gesagt; kommt es trotz der Anwesenheit von etwas Unheimlichen zu Ihnen, bedeutet das, dass es Ihnen vertraut. Rennt es einfach nur weg und kommt nicht mehr, heisst das, dass es lieber auf Abstand bleibt und auch Sie damit in Frage stellt; vielleicht sind Sie jetzt in seinen Augen auch ein "gruseliger Gegenstand". Letzteres muss nicht immer negativ sein, sondern bei einem skeptischen Pferd ist das auch ganz normal. Trotzdem wäre es, wenn Sie Ihr Pferd einmal mit gutem Gefühl reiten wollen, ratsam, auf den ersteren Zustand hinzuarbeiten.
 
Reagiert Ihr Pferd ohne Neugier, dann akzeptieren Sie bitte, dass es jetzt sagt: "Kein Interesse". Gründe gibt es viele, aber machen Sie Ihre Beziehung zum Pferd nicht kaputt, indem Sie es zwingen, sich damit zu beschäftigen. Freuen Sie sich entweder, wenn Ihr Pferd wirklich gelassen reagiert, denn dann können Sie mit einem sichereren Gefühl im Magen aufsteigen. Haben Sie das Gefühl, dass es Ihrem Pferd antrainiert wurde, sich nicht interessiert zu zeigen, lassen Sie es trotzdem sein und arbeiten Sie ersteinmal an der Bindung.
 
5.: Was kann ich konkret tun?
Zum Schluss guckt er aber dann doch zufrieden.
Machen Sie sich selbst zu einer interessanten und vertrauenswürdigen Person. Wie ihr Pferd letztlich auf Dinge reagiert hängt nämlich zum großen Teil davon ab, wie gelassen und souverän Sie selbst mit den Dingen umgehen. Ein Pferd reagiert extrem sensibel auf Stressreaktionen wie Verspannungen, Herzklopfen, Angstschweiß, unsichere Körpersprache und -haltung, Stimme und so weiter. 
 
Suchen Sie Orte der Entspannung und setzen sich einfach zu Ihrem Pferd auf die Koppel, teilen einen Moment mit ihm, lesen ein Buch, schreiben ... nehmen Sie einen Rucksack mit. Drängen Sie dieses dem Pferd nicht auf sondern lassen es kommen und gehen wie es will (ohne Sie zu zertrampeln versteht sich). Nehmen Sie Regenjacke oder -schirm mit, damit Ihr Pferd diese schoneinmal gesehen hat, bevor Sie mal im "Ernstfall" damit anrücken weil es wie aus Kübeln gießt.
 
Rennt ihr Pferd davon, bleiben Sie gelassen. Nehmen Sie sich die Zeit zu warten und zu klären. Sie können auch ein anderes Pferd dazunehmen, welches keine Scheu zeigt.
 
Zwingen Sie es nicht dazu, sich etwas anzusehen, wie es in mancher Form der Bodenarbeit praktiziert wird. Dabei geht es um reine Machtabklärung und der Wille des Pferdes wird mit Gewalt gebrochen. Das hat auch nichts mehr mit Anti-Scheu-Training zu tun und gar nichts mehr damit, worum es hier geht.
Dies ist keine Art, ein Pferd FÜR etwas zu interessieren, sondern reine Dominanzabklärung die ein Aufgeben und Abstumpfen des Pferdes zur Folge hat.
 
Sie können natürlich daran Arbeiten, wenn Ihr Pferd vor einer Sache wirklich Angst hat. Am besten Funktioniert es aber immer über Nachahmung, das heisst, Sie machen Ihrem Pferd etwas vor und es kann dann - möglichst wenn es frei ist - selbst mit der Situation umgehen.
 
Ein Pferd ist ein Fluchttier - bleibt es in einer Situation der potentiellen Gefahr bei Ihnen, so ist das ein Beweis nicht nur von Respekt, sondern von Vertrauen. Verspielen Sie dieses Geschenk nicht leichtsinnig! 

Donnerstag, 1. September 2011

Info: Aktualisierung im Interview mit Live Bonnevie

Zu meinem Bedauern stellte sich heraus, das mir zuerst die Kurzfassung der beantworteten Fragen von Live Bonnevie zugekommen ist. Die Autorin bat mich um Ausbesserung und darum findet ihr jetzt den Artikel von heute, bzw. das Interview, aktualisiert. Es lohnt sich, nocheinmal reinzuschauen!


Vielen Dank für euer Verständnis!
Jaana


Interview mit Live Bonnevie - Autorin des Buches "Zwischen Himmel und Erde"

Ich freue mich sehr, dass sich Live Bonnevie bereiterklärt hat, diesem Blog ein Exklusivinterview zu geben.
Bleistiftzeichnung von mir die nach dem Lesen des Buches entstand. Wird in noch ein größeres Bild eingearbeitet.
Hey Live! Kannst du beschreiben, was für dich ganz persönlich die Botschaft deines Buches ist?
Ich schätze es ist die Liebe - mehr als alles andere. Die Liebe, die man anderen zuteil werden lässt. Die Liebe und den Respekt welche man seiner eigenen Seele zuteil werden lässt. Und es geht natürlich um die Liebe zu den Pferden. 

Für wen hast du es geschrieben? War es zuerst an alternative Pferdeleute gerichtet?
Ursprünglich schrieb ich das Buch für eine Gruppe von Leuten die ich gerne “Alle diese Mädchen die Pferde lieben” nenne. Um es kurz zu machen, versuchte ich also ein Buch zu schreiben, nachdem ich selbst immer gesucht hatte, aber nie fand. Dann, als der Roman sich entwickelte, wurde mir klar, dass man kein Pferdenarr sein muss um es zu lesen - und auch nicht zwingend ein Mädchen! Es ist ein Buch das sich mit der Suche nach der der wahren, inneren Stimme befasst - und der Reise um der zu werden, der man eigentlich bestimmt ist zu sein - im Bewahren der inneren Intuition und Weisheit. Das Thema an sich ist universell.

Bevor du das Buch veröffentlicht hast, warst du besorgt, ob normale Leute die Botschaft verstehen würden? Und wie waren die Reaktionen dann tatsächlich?
Es gibt keine wirklichen Überraschung in diesem Buch. Tief im Inneren, kennt jeder die Botschaft bereits. Manche Leute haben lediglich vergessen oder haben sich auf dem Weg verlaufen. Ich hoffe, dass dieses Buch als Erinnerung dienen kann. Weiterhin denke ich, dass man das Buch auf vielerlei Arten lesen kann und ich mich mehr auf die Fähigkeit des Fühlens meiner Leser verlasse, als wie die reinen, intelektuellen Verständnisses. Die Reaktionen, die ich bisher bekam, waren überwältigend und ich bin dankbar für jede davon.

Was war die persönliche Erfahrung die dich auf so berührte, dass du anfingst, dieses Buch zu schreiben?
Das Buch ist ziemlich autobiographisch gehalten. Man wird wenig darin finden, was Fantasie oder Fiktion ist. Aber es gibt Abschnitte bei welchen ich dramatische Steigerungen einfügte um sicherzustellen, dass der Leser das Gleiche empfindet, was ich im realen Leben empfand. Was mich dazu brachte, es zu schreiben, war das Gefühl, dafür bestimmt zu sein.

Es gibt viel Kritik gegenüber dem traditionellen Pferdesport. Was denkst du dazu und sind Islandpferde-Turniere menschlicher in deinen Augen?
Turniere für Islandpferde sind ein Teil des Pferdesports, deswegen differenziere ich hier nicht. Mein Gefühl gegenüber allen Formen des Reitsports ist Folgendes: 
Wenn das Pferd gesund und stark ist und der Reiter sanft, wissend und mitfühlend, kann es wunderbar sein, ein solches Team in perfekter Balance zu beobachten, gleich welcher Reitweise. Leider ist dies nicht oft der Fall wenn man sich zu einem Turnierring begibt. Das Pferd ist oft nicht ausreichend vorbereitet (weder geistig noch körperlich), es fehlen ein grundlegendes Verständnis und der Reiter wird vom Ehrgeiz getrieben. Das Ergebnis ist sowohl traurig als auch schmerzhaft, meiner Meinung nach. Als allgemeinen Eindruck empfinde ich, dass wir heute oft zu viel von unseren Pferden verlangen.

Was ist mit dem Natural Horsemanship, welches in deinem Buch auch angesprochen wird - es scheint, dass du mit deren Lehren nicht einverstanden bist?
In der Theorie gibt es sehr viele gute Dinge beim Natural Horsemanship, aber wenn man sich anschaut, wie gefühllos manche der sogenannten Meister und deren Methoden sind, wird man bald begreifen, dass der der psychische Schaden an den Pferden, die durch diese Philosophie geformt werden, viel schlimmer ist als der, welcher durch einen mehr traditionellen Umgang entsteht. Mit anderen Worten ist es ein Werkzeug welches, wie jedes andere Werkzeug, leicht missbraucht und missverstanden werden kann.

Hast du eine persönliche Passion für Islandpferde?
Ja, ich finde sie großartig. Das gesagt, ist meine Liebe zu den Pferden auf einer viel tieferen Ebene. Ich liebe Pferde schichtweg dafür, dass sie Pferde sind.

Wer sind die Pferdefrauen, welche als Clan in deinem Buch vorkommen? Was tun sie? Wo sind deren Pferde und wie stellst du dir vor, dass sie mit ihren Pferden leben und sind? Ihre Rolle ist mehr im Hintergrund des Buches.
Ich schätze, das Buch, an welchem ich gerade schreibe, wird diese Frage für dich beantworten... Es stellt sich heraus, dass es eine lange Geschichte ist. So lang, dass es nicht mehr in diesem Roman unterzubringen war ohne ruiniert zu werden.         

Was denkst du könnte jeder von uns tun um die Menschlichkeit in unserem Sein mit den Pferden zu verbessern?
Die beste Art, das Wohl der Pferde zu verbessern ist es, sich selbst zu bilden. Wir können uns immer verbessern, in allen Aspekten des Lebens - auch im Sein mit den Pferden. Und das sollte immer unser Ziel sein. Wenn wir darüber nachdenken, was unser Pferd uns gibt, sollte es das wichtigste Bestreben eines jeden Reiters sein, herauszufinden, was man dafür zurückgeben kann.

Was ist dein Wunsch für die Zukunft aller Pferde und Pferdeleute und wie stellst du dir vor, dass sich diese Zukunft manifestiert?
Ich wünsche mir, dass mehr Leute lernen, Pferde wirklich als das zu SEHEN, was sie in Wirklichkeit sind. Denn wenn wir das tun, dann verstehen wir, das dass, was sie unserer Seele und unserem inneren Geist zu bieten haben, einmalig in der heutigen Welt ist. Ich schätze, dass man sagen könnte, dass "Zwischen Himmel und Erde" mein bester Versuch ist, den Pferden etwas zurückzugeben. Ich betrachte es als meinen Beitrag zur Verschiebung der Denkmuster, von welcher ich glaube, dass sie unvermeidbar ist wenn es darum geht, wie wir unsere Pferde behandeln und reiten. Die Zeit ist reif für Veränderung.

Vielen Dank für die Antworten Live!     
 

Wer nun Lust aufs Lesen bekommen hat, der kann das Buch direkt hier bestellen:




Wer mag kann das Originalinterview auf Englisch hier nachlesen!

Bis zum nächsten Mal!
-- Jaana

Neuerscheinung: Zwischen Himmel und Erde - meine Buchrezension